EU-Kommissar McCreevy kritisiert deutsches Wettmonopol Von Ileana Grabitz 7. Februar 2009, 02:42 Uhr Brüssel verfolgt Verletzungsverfahren weiter Berlin - Gut ein Jahr nach seinem Inkrafttreten bekommt der Glücksspielstaatsvertrag erneut scharfen Gegenwind - diesmal von höchster Stelle aus Brüssel. In einem Brief an den EVP-Abgeordneten des EU-Parlaments Werner Lange bezweifelt EU-Wettbewerbskommissar Charles McCreevy höchstpersönlich, dass der Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich haltbar ist: Die Kommission halte daran fest, "dass die zentralen Beschränkungen der neuen deutschen Rechtsvorschriften möglicherweise unverhältnismäßig und ungerechtfertigt" seien, heißt es in dem Brief, der der WELT vorliegt. Dies gelte insbesondere für das strafrechtliche Verbot von Glücksspielen im Internet.
Seit Monaten tobt ein erbitterter Streit um die neue Verordnung, die staatlichen Glücksspielanbietern seit Anfang 2008 ihre Monopolstellung sichert. Das Bundesverfassungsgericht hatte das staatliche Glücksspielmonopol 2006 für zulässig erklärt - unter der Voraussetzung, dass die staatlichen Anbieter effektiv die Spielsucht bekämpfen würden. Seither müssen die staatlichen Anbieter etwa auf Werbung im großen Stil verzichten. Privaten Anbietern indes wurde mit dem Vertrag quasi die Geschäftsgrundlage entzogen.
Doch Protest kam nicht nur von den privaten Anbietern, sondern von Anfang an auch von europäischer Seite. Wenige Wochen nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags leitete die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Seither hatten sich die Brüsseler in Schweigen gehüllt - was Verfechter des Vertrags bereits als Indiz dafür werteten, dass das Verfahren eingestellt werden dürfte. Der Brief McCreevys macht diese Hoffnungen nun erst einmal zunichte. Tatsächlich droht dem deutschen Staat eine Strafzahlung in Millionenhöhe, sollte sich die Kommission mit ihrer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen.
McCreevy ist allem voran die Widersprüchlichkeit der deutschen Gesetzgebung ein Dorn im Auge. So gilt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten und Lottoanbieter, während Pferdewetten oder Spielautomaten etwa - von denen womöglich sogar eine höhere Gefahr der Spielsucht ausgeht - weiterhin von privaten Betreibern angeboten werden dürfen.
Leidtragende des Glücksspielstaatsvertrags sind unterdessen nicht nur die privaten Anbieter, sondern ausgerechnet auch die staatlichen Lotterien, die ja eigentlich die Profiteure des Vertragswerks sein sollten. Tatsächlich kämpfen staatliche Lotterien bundesweit mit heftigen Umsatzrückgängen, seitdem sie nur noch eingeschränkt für ihr Geschäft werben dürfen. Da auch die gemeinnützigen Soziallotterien von dem allgemeinen Abwärtstrend betroffen sind, zahlt am Ende auch die Öffentlichkeit einen hohen Preis: "Unser Auftrag, möglichst viel Geld für soziale Zwecke zu erspielen, ist stark in Gefahr", sagte Christian Kipper, Geschäftsführer der ARD Fernsehlotterie ("Ein Platz an der Sonne"), der WELT. "Mittelfristig werden wir bis zu 30 Prozent weniger Geld gemeinnützigen Hilfsprojekten zur Verfügung stellen können."
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